Die Sozialversicherung stößt an ihre Grenzen – Familien müssen bei notwendigen Reformen im Blick sein

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Berlin, 18. November 2021 – Angesichts der aktuellen Bertelsmann-Studie zur Finanzierbarkeit der Sozialversicherung im demografischen Wandel ruft der Familienbund dazu auf, bei den anstehenden Reformen die Familien im Blick zu behalten. „Eine Sozialversicherung, die Familien überlastet und benachteiligt, kann niemals nachhaltig finanzierbar sein“, sagt Ulrich Hoffmann, Präsident des Familienbundes der Katholiken. „Denn der Generationenvertrag ist auf neue Beitragszahler angewiesen und beruht darauf, dass Familien ihre Leistungen weiterhin erbringen können.“

Die Studie der Bertelsmann-Stiftung schildert den Reformbedarf der Sozialversicherung in aller Deutlichkeit. Ohne Reformen sind die Sozialsysteme der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung aufgrund des demografischen Wandels nicht mehr finanzierbar. „Es braucht an vielen Stellen Veränderungen, um die Sozialversicherung zukunftsfest zu machen.” sagt Ulrich Hoffmann. „Allerdings darf der Blick dabei nicht nur auf die monetären Beiträge gerichtet werden. Der gesamte Generationenvertrag muss funktionieren. Familien leisten einen doppelten Beitrag zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung – in Form von Beiträgen, aber eben auch durch die zeit- und kostenaufwendige Erziehung der kommenden Beitragszahler. Das muss bei einer Reform unbedingt berücksichtigt werden, um Familien nicht zu benachteiligen. Hierbei geht es auch um die Nachhaltigkeit des Sozialsystems. Denn ein Umlageverfahren, das Kindererziehung mit Armutsgefährdung und niedrigen Renten belohnt, setzt ökonomische Anreize für die eigene Destabilisierung.”

Die Forderung der Bertelsmann-Stiftung nach einem umfassenden Reformpaket mit mehreren Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen ist aus Sicht des Familienbundes richtig. Teile des vorgeschlagenen Maßnahmenmix führen jedoch bei Familien, die im doppelten Sinn die Umlagesysteme stützen, zu Überlastungen. Sie sind auch aus einer langfristigen ökonomischen Perspektive kritisch zu hinterfragen.

Die Studie sieht die Steigerung von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung als wichtige Finanzierungsmaßnahme. Mit Blick auf Familien betont der Familienbund, dass diesen neben der Erwerbstätigkeit ausreichend gemeinsame Zeit bleiben muss. „Der jüngste Familienbericht der Bundesregierung hat einen steigenden Druck auf Familien und eine Intensivierung von Elternschaft festgestellt. Frauen müssen die Möglichkeit haben, ihre Erwerbstätigkeit auszuweiten, wenn sie es möchten. Aber es darf politisch keinen weiteren Druck in Richtung Vollbeschäftigung für beide Eltern geben”, betont Ulrich Hoffmann. „Die weitere Ausweitung der Berufstätigkeit von Eltern führt zwar kurzfristig zu mehr Beiträgen, sie könnte aber langfristig zum Bumerang für das Umlagesystem werden, wenn durch die wachsende Belastung Kinderwünsche nicht mehr realisiert werden. Ein Leitbild doppelter Vollzeitbeschäftigung hat die Interessen der Familien nicht im Blick und überlastet in besonderem Maße Mehrkindfamilien und Alleinerziehende.”

Mit Blick auf die in der Studie prognostizierten stark steigenden Sozialversicherungsbeiträge spricht sich der Familienbund dafür aus, in der Sozialversicherung – wie jetzt schon bei der Steuer – einen Kinderfreibetrag zu gewähren, der die Kosten für den Unterhalt der Kinder zumindest in Höhe des Existenzminimums berücksichtigt. „Schon jetzt entziehen die hohen Beitragsbelastungen in der Sozialversicherung Familien mit mehreren Kindern und Durchschnittseinkommen die wirtschaftliche Grundlage. Diese Situation wird sich in Zukunft angesichts steigender Beiträge noch verschärfen. Das ist für Familien nur verkraftbar, wenn sie abhängig von der Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder durch einen Freibetrag entlastet werden“, so Ulrich Hoffmann.

Ein Kinderfreibetrag in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ist nicht nur politisch, sondern auch juristisch geboten. Daher hat der Familienbund der Katholiken gemeinsam mit dem Deutschen Familienverband mehrere Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.